Ojos del Salado | Chile

Ojos del Salado, Chile

03.2014  |  6893 m  |  Abbruch auf ca. 6350 m: -20° C plus Windchill (ca. -30° C)

Nachdem ich zwei Tage in Mendoza verbracht und für den Aconcagua kein Permit mehr bekommen habe, entschließe ich mich spontan für einen anderen Reiseverlauf. Ojos del Salado. Der zweithöchste. Nicht so viel Trubel. Ich fliege über Santiago in den Norden Chiles, nach Copiapó, einer Bergbau-Stadt am Rande der Puna de Atacama. Zimmer für eine Nacht klargemacht, einen großen Nissan Geländewagen mieten und das Nötigste wie Gaskartuschen, Lebensmittel und Wasser kaufen.

Stundenlang Geröllpisten. Und dann die Zollstation. Sie ist noch 108 km von der argentinischen Genze entfernt, aber hier sind die Entfernungen so groß, das man den Beamten wohl die Heimreise nicht zu lang gestalten wollte. Hier treffen sich alle Straßen aus dem Osten, die über den Paso San Fransisco nach Chile und dann nach Copiapó führen. Irgendwie fahre ich quer durch die Gegend, bis mir die Brocken zu groß werden. Hier will ich nicht liegenbleiben.

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Aconcagua

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Flugfeld Copiapó

Die Atmung geht schnell. Ich liege in meinem einwandigen Zelt auf 4500 Metern und versuche mich zu aklimatisieren. Keine so gute Idee: Seit drei Tagen kann ich kaum gerade laufen. Der Tank ist halb leer und ich frage mich, ob die Fahrt auf diese Höhe, direkt nach meiner Ankunft nicht doch zu schnell war. Der Mp3-Player ist kaputt und ich habe keine Bücher. Mir ist entsetzlich langweilig und es bleibt nur, mich meinen Gedanken zu stellen. Nachts: Sterne. Der Himmel ist klar und ohne störende Lichtverschmutzung kann man den Sternenhimmel der Südhalbkugel in seiner vollen Pracht bewundern. Kein Wunder dass hier einige der größten und besten Teleskope weltweit stehen. Nirgendwo auf der Erde ist es so trocken und abgelegen wie hier. Für die Bedürfnisse der Astronomen ein Traum.

Es ist sehr windig und ich kann wegen des lauten Schlagen des Zeltes kaum schlafen. Irgendwann reicht es mir, ich schaffe es gerade 500 Höhenmeter Richtung Tres Cruces aufzusteigen und entschließe mich endlich dazu, nach Copiapó zurückzufahren. Tank ganz voll machen und dann bis zur Laguna Verde fahren, die mit 4300 Metern etwas tiefer liegt. Ich ergänze auch meine Vorräte. Die Rückkehr auf Meereshöhe ist anscheinend genau das Richtige, schlagartig geht es mir besser.

Ojos del Salado | Chile

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Die lange Fahrt durch die Mondlandschaft der Atacama ist atemberaubend. Die Staubfahne hinter mir ist riesig. Die Zollbeamten kennen mich jetzt und ich muss die Unterlagen nicht erneut ausfüllen. Vor drei Tagen haben sie mich ziemlich auseinander genommen und wollten genau wissen, was ich hier will. Für den Ojos del Salado braucht man eigentlich ein Permit, das ich aber nicht hatte. Also gebe ich als mein Ziel die Tres Cruces an. Am Abend erreiche ich die Laguna Verde, die nicht direkt aber fast an der Grenze zu Argentinien liegt. Es gibt einen alten Schlagbaum, eine chilenische Flagge und ein kleines, verfallenes Grenzhäuschen. Ich schlafe im Auto.

Am nächsten Morgen fahre ich ein Stück zurück zum eigentlichen Basislager, dem Refúgio Claudio Lucero auf 4527 Metern. Zumindest ein hausartiges Gebilde. Ich treffe auf ein spanisches Pärchen, Gemma und Marc, zwei Geologen und Höhlenforscher, die vor einigen Jahren aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit in Spanien nach Chile ausgewandert sind. In ihrem Jimny nehmen sie mich bis in das erste Hochlager Atacama auf 5280 Metern mit. Mein Jeep startet nicht mehr. Ich hatte während einer Aklimatisierungstour auf den Barrancas Blancas die Lichter brennen lassen und nun steht die Kiste. Glück gehabt, dass die beiden aufgekreuzt sind. Um die Batterie muss ich mich wohl auf dem Rückweg kümmern.

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Sonnenuntergang fast ohne Wolken

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Nevado Tres Cruces

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Ohrenschutz nicht vergessen

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Windschutz für den Gasherd

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Laguna Verde

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Haare!

Auf der Hütte treffen wir Gonzalo und Hugo, zwei argentinische Geologen aus Antonafagasta, die ebenfalls hoch wollen. Sie kommen ein paar Stunden nach uns an. Zu fünft liegen wir stundenlang einfach nur auf dem Boden des Überseekontainers, der als Hütte herhalten muss. Zwischendurch werden Nudeln und Tee gekocht. Aber sonst ist jeder erst einmal mit sich beschäftigt und versucht mit der dünnen Luft klarzukommen.

Dann hoch zum nächsten Lager, dem Refúgio Tejos auf 5825 m aufsteigen. Mit Wasser, Essen und Kleidung. Und wieder runter. Ausruhen. Und wieder hoch. Mit dem Rest der Sachen. Schlafen. Zumindest so tun. Ich liege einfach nur wach da, versuche Luft zu bekommen und schaue mir meine Situation irgendwie amüsiert und wie von einem anderen Stern aus an. Aha – Sauerstoffsättigung bei 58 %. Das wird wohl nix.

Früh morgens geht es los und ich friere von der ersten Minute an. Doppelschuhe, 2 Lagen Unterwäsche aus Wolle, Daunen-Fäustlinge und Balaclava. Nützt alles nichts. Gemma und Marc wollen bei 6100 Metern abbrechen und absteigen. Gerade nach Sonnenaufgang, als ich zu hoffen beginne, dass es nun doch etwas wärmer werden könnte. Es ist uns allen viel zu kalt. Mist. Das wars. Ich versuche mich mit der Entscheidung zu arrangieren und am Nachmittag steigen wir weiter ab. Auf der Hälfte des Weges kommen uns Hugo und Gonzalo entgegen, die mir erstens versichern, mir mit der Batterie zu helfen und ich verdammt nochmal bitte schön einen zweiten Versuch machen soll. Ich lasse mich breitschlagen. Am nächsten Tag steigen die beiden alleine hoch, nachdem ich bei 6300 Metern abbrechen muss. Ich kann einfach nicht mehr. Scheiß Zigaretten.

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Refúgio Atacama | 5280 m

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Refúgio Atacama | 5280 m

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Gonzalo, Marc, Hugo, Gemma

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Refúgio Tejos | 5825 m

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Refúgio Tejos | 5825 m

Ich bin total fertig. Und sauer mit mir selbst. Ich hatte mir noch in Copiapó die letzten Zigaretten gekauft. Dreckszeuch. Egal. Jetzt wieder runter. Das Auto springt mit Starthilfe natürlich sofort an. Marc und Gemma sind schon weg. Wir drei fahren bei den Zollmeistern vorbei und essen mit ihnen Kuchen. Zurück in Copiapó essen wir noch was an einer Bude.  Dann verabschieden sich Gonzalo und Hugo und ich verbringe nach einer lustigen 24 Stunden Busfahrt nach Santiago noch ein paar Tage in Valparaiso, dem mindestens zweitbesten Flecken auf diesem Planeten.

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